Warum fällt Veränderung so schwer?
Liebe Lisa, in deiner Session beim SpaCamp „SummerCamp“ ging es um die Veränderung. Warum fällt uns Menschen Veränderung so schwer?
Das liegt in unserer Natur, in unserem Gehirn begründet. Wir sind im wahrsten Sinne Gewohnheitstiere mit einem uralten „tierischen“ Funktionsapparat in uns – unserem Stammhirn. Daneben gibt es noch die jüngeren Gehirnareale und wir streben auch nach Autonomie, Selbstverwirklichung, Lustbefriedigung, Stimulanz und Co. Aber wenn es eng wird, greifen in aller Regel immer erstmal die uralten Muster und unser Bedürfnis nach Sicherheit geht vor.
Da alles, was neu, anders ist, oder ungewohnt ist, von unserem Stammhirn als unsicher und daher als potentiell gefährlich eingestuft wird, sträuben wir uns erstmal dagegen. Es muss oft sehr viel Überzeugendes oder Dramatisches passieren, dass wir uns verändern und wir brauchen richtig gute Gründe dafür. Wir Menschen wollen bzw. müssen wissen, warum, wofür und wie die Veränderung gehen soll. Wir brauchen das Gefühl von Verständnis, Sinn und Machbarkeit, um eine Veränderung erstens akzeptieren und zweitens antreten und bewältigen zu können. Fehlt einer dieser Aspekte, gehen wir nicht los – zumindest nicht freiwillig oder mit nachhaltigem Effekt.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel müssten wir Menschen uns dringend verändern, indem wir viel nachhaltiger konsumieren und auch Urlaub machen. Doch viele Spa-Gäste verbinden Luxus mit Verschwendung. Wie kann dieser Spagat deiner Meinung nach gelingen? Wie kann man Gäste bei dieser Transformation mitnehmen?
Ja, ich glaube, dass es funktionieren wird, beziehungsweise muss. Ich glaube, dass ein Umdenken bereits stattfindet. Viele Häuser gehen sehr vorbildlich voran und viele Gäste folgen schon. Und genau das braucht es aus meiner Sicht – im Kleinen wie im Großen: Charismatische Vorbilder mit klarem Wertekodex und konsequenter Umsetzung.
Um Menschen für einen Wandel zu begeistern oder zu öffnen, brauchen sie Gründe (Sinn & Verständnis), einen Benefit für sich selbst und Andere (je nach ihrer Bewusstseinsebene) und konkret umsetzbare Schritte. Und meiner Meinung nach sind noch 3 Dinge – wie oben erwähnt – notwendig:
Klarheit, Intelligenz und Durchhaltevermögen. Es ist notwendig, die eigenen (neuen) Werte kristallklar zu kommunizieren und konsequent zu leben, die (Stamm-)Gäste anhand ihres Verhaltens zu erkennen und sie intelligent auf ihrer Bewusstseins- und Bedürfnisebene abzuholen und zu führen. Und drittens ein langer Atem.
Bei Mitarbeiter:innen der jungen Generation wird viel über Veränderung diskutiert. Sie geben einen neuen Weg vor. Die älteren kommen aber aus einer ganz anderen Generation mit anderen Werten. Wie kann man die Unterscheide besser verstehen, um vielleicht auch voneinander lernen zu können?
Unterschiedliche Wertevorstellungen geknüpft an Diskrepanzen im Verhalten gibt es ja zwischen allen Generationen. Was zur Zeit auffällt und die ältere Generation und Führungskräfte herausfordert, ist eine ungewohnt klare Vorstellung der Jüngeren davon, was und wieviel sie nicht (arbeiten) wollen, kombiniert mit einer großen Offenheit für Neues und einem Selbstbewusstsein, das oft seines gleichen sucht.
Freiheit, Selbstverwirklichung und Neugier stehen in der Werteskala bei vielen weit vor Sicherheit, Loyalität und Durchhaltevermögen.
Das hat natürlich seine Gründe und das kann man gut oder schlecht und berechtigt oder unberechtigt finden. Fakt ist, dass sie so sind und damit für viele sogar eine wertvolle Inspirations- und Informationsquelle sein könnten.
Welche Reaktion „menschlicherweise“ aber zuerst passiert ist: Verurteilung und Ablehnung. Erstens weil anders und neu, zweitens weil unsicher und anstrengend und drittens, weil sie dem/r ein oder anderen bitter aufzeigen und spiegeln, was er oder sie sich selbst nicht gestattet. In jedem Aspekt, der mich an Anderen stört und mich empört, steckt ein Fünkchen eigener Anteil drin. Daher entstehen zwischen Generationen unweigerlich kleinere oder größere Konflikte, Vorwürfe und Missgunst oder zumindest anstrengende Umbruchzeiten.
Natürlich bringt der aktuelle Verhaltenstrend für Führungskräfte auch eine “echte” Unsicherheit und Unplanbarkeit mit sich, verbunden mit der Sorge vor höheren Kosten, vor Komplexität etc. Unternehmerisch gesehen ist es immer eine große Herausforderung, alle Bedürfnisse „unter einen Hut zu bringen“. Akzeptanz und Wohlwollen sind – wie nahezu bei allen Diskrepanzen – die Schlüsselfähigkeiten.
Erst wenn wir andere Meinungen, Wünsche, Verhaltensweisen akzeptieren – und das heißt nicht, dass wir sie gutheißen müssen -, können wir wirklich kommunizieren, co-kreieren und gemeinsam profitieren.
Auf welche Veränderungen müssen wir uns in der Spa-Branche deiner Meinung nach in den nächsten 5-10 Jahren einstellen? Welche Gäste-Wünsche und -Bedürfnisse kommen auf das Spa-Hotel der Zukunft zu?
Dazu würde ich gerne den Telefonjoker beim Zukunftsinstitut ziehen… *lach*
Ich glaube, dass die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse Stimulanz und Dominanz – neben der Sicherheit – und damit auch das Bedürfnis nach Genuss, Erholung, Belohnung, Auswahl, Anerkennung, Aufmerksamkeit und vielem mehr in unseren Breitengraden und unserer Gästeklientel noch verstärkt befriedigt werden will. Gerade weil immer deutlicher wird, dass die für sicher gehaltene Sicherheit auch bei uns keine ganz sichere Sache ist.
Ich glaube allerdings (oder hoffe), dass dies immer achtsamer und bewusster geschieht. Im Spa und allgemein in den Hotels bin ich überzeugt, dass wir vor allem mit Raum und Unaufdringlichkeit punkten werden.
Unser Gehirn ist so überfrachtet und ständig von „FOMO“ („fear of missing out“) gestresst – die Angst etwas zu verpassen -, dass tatsächlich weniger Angebot und Auswahl MEHR ist.
Aus der Flow-Forschung ist bekannt, dass echte Flowzustände, Kreativität, das Empfinden von tiefer Erfüllung und Glück und wahre Produktivität nur stattfinden können, wenn wir die kognitive Last, also das Überangebot an Reizen von außen für unser Gehirn, stark verringern. Als Wellness-Experten, also Wellbeing- und Happiness-Spezialisten, sollten wir dies fördern und nutzen. In dem Wissen, dass unsere Gäste sehr viel erholter, dankbarer und langfristig begeisterter sein werden und immer öfter wiederkommen, wenn sie im Kopf und im Körper zur Ruhe kommen und wirklich (und nicht nur pseudo-) erholt und mit Platz für neue Ideen wieder nach Hause fahren. Und das gelingt uns eben nicht, wenn wir sie wie gewohnt mit Angeboten und Produkten, die sie nicht brauchen, und mit Sinnesreizen aller Art überhäufen.
Ich möchte an der Stelle aber noch anmerken, dass auch dies sicherlich ein Wandlungsprozess ist. Niemand verzichtet erstmal freiwillig auf die schnellen Belohnungen, Habseligkeiten und vermeintlichen Genussmomente des Überangebots – auf das berühmte Eis in der Hand. Aber langfristig werden wir das brauchen und schätzen – davon bin ich überzeugt.
Als Coach hast du viel mit Menschen zu tun. Man hat das Gefühl, jede/r möchte alles und das sofort (und ist dann enttäuscht, wenn es nicht funktioniert). Dabei müssten sie doch wissen, dass die erfolgreichsten Menschen vor allem eines waren – beharrlich. Kann man Geduld lernen?
Grundsätzlich kann man alles lernen. Wir können zumindest in allem immer ein bisschen besser sein, als wir es gestern waren. Die Frage ist, ob wir das wollen und bereit sind, Geld, Zeit, Fokus, Energie, Entscheidung und Engagement zu investieren und wie meisterlich wir letztendlich werden.
Geduld und Ungeduld haben meines Erachtens zwei Seiten. Beide können uns bremsen und beide können sehr förderlich sein.
Sich mit dem Prädikat „geduldig“ zu betiteln, den Hintern nicht hoch zu kriegen und den Dingen immer ihren Lauf zu lassen, kann auch als Tugend getarnte Selbstsabotage sein. Ebenso kann Ungeduld bedeuten, dem Leben, sich selbst und allen anderen nicht zu vertrauen. Hier versteckt sich hinter vitalem Aktionismus gerne mal eine verkappte Kontrollsucht und die Angst vor Leere, der Auseinandersetzung mit sich selbst und Stillstand.
Beharrlichkeit, Disziplin und Hingabe sind definitiv wertvolle Eigenschaften, die uns langfristig dienen und zu persönlichem Erfolg (in der eigenen Definition) führen können. Mut, Tatendrang und Kühnheit allerdings auch. „Du bekommst im Leben immer das, wonach du bereit bist zu fragen“ und „Was lange währt, wird gut.“ Diese beiden Weisheiten kennen wir alle. Die Wahrheit liegt wie so oft wohl irgendwo dazwischen und vor allem in der ehrlichen Selbstreflexion.
Frag dich als „geduldiger“ Mensch ehrlich: Bin ich gerade wirklich gelassen und entspannt oder eher träge und vielleicht sogar ängstlich in die Umsetzung zu gehen? Und frag dich als „ungeduldiger” Mensch immer wieder: Vertraue ich mir und der Sache wirklich? In welchem Punkt habe ich, wenn ich ehrlich bin, Angst die Kontrolle zu verlieren und kann den Dingen nicht ihren natürlichen Lauf lassen?
Ich teile in diesem Zusammenhang gerne eine Weisheit, die ich als das „Gelassenheitsgebet“ kenne und, die uns daran erinnern kann, welches Maß der Dinge gerade das rechte ist:
Sei mutig genug, Dinge zu ändern, die du ändern kannst. Sei gelassen genug, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst. Und sei weise genug, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Vielen Dank Lisa Marie Stangier, dass du deine Gedanken mit uns teilst und uns wertvolle Anstöße in Sachen Veränderung gegeben hast. Hier geht’s zu Lisas Website.