„Thunder in Paradise“ – Stress, wo andere entspannen
1. April 2025Die Organisations- und Führungskräfteentwickler Thomas Böhlefeld und Armin Ziesemer haben beim SpaCamp 2024 eine Session unter dem provokanten Titel „Arbeiten im Spa - dort wo andere entspannen, krieg ich Stress“ geleitet. Wir haben nachgefragt und wollten wissen, wie man im Wellness-Hotel das Konfliktpotential im Team rausnehmen kann und wie die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Führung und Mitarbeiter:innen gelingt.

Kommen wir gleich auf den Punkt. Ist eurer Meinung das Konfliktpotential im Wellness-Hotel höher als in anderen Unternehmen und wie könnte man Stress rausnehmen?
Psychosoziale Belastungen nehmen in allen Branchen zu. Überall, wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es Konflikte. Das ist normal. Aus unserer Perspektive als Organisations- und Führungskräfteentwickler liegt das daran, dass keine geeigneten Formen bekannt sind, um eine Meinungsbildung auf Augenhöhe zu schaffen und Entscheidungsfindungsprozesse mit kollektiver Intelligenz zu gestalten.
Mit unserer Session haben wir die sogenannte „Fishbowl“, vorgestellt. Es freut uns, dass dieses Tool so gut angekommen ist. Wir stellen immer wieder fest, dass Menschen, wenn sie zum ersten Mal partizipativ mit Struktur gearbeitet haben, das Bedürfnis Vieler für eine neue Arbeitswelt mehr erfüllt wahrnehmen. Und das nimmt Stress raus.

Ihr habt in eurer Session das SpaCamp-Motto „Queens & Kings“ eingearbeitet. Der Kunde ist König heißt es oftmals. Was können aber Spa-Manager:innen tun, um auch die Kolleg:innen wie Queens & Kings zu behandeln und auch selbst die Krone zu tragen?
Sich ermächtigen heißt die Devise. In Teams sehen wir immer wieder, dass veraltete Hierarchien nach wie vor die einzige, bekannte Organisationsform sind. Wenn auch in der New Work-Literatur viel geschrieben wird, fallen Mitarbeitende und Führungskräfte immer wieder in vertraute Muster zurück. Und diese führen dazu, dass auf der einen Seite die Oberen, die Führungskräfte, und die Unteren, die Angestellten, ihre Rollenmacht ungleich verteilen.
Aber für Augenhöhe brauchen wir Ebenbürtigkeit. Und dazu müssen sich alle in der Organisation ermächtigen. Üblicherweise geht es mit externer Begleitung schneller, zeitgemäße Kommunikations- und Beziehungsgestaltungsmuster einzuüben, als selbst rumzuexperimentieren.
„Ich bin ok, du bist ok“ lautet eine Haltung, die für Beziehungsarbeit wichtig ist. Doch wie gelingt das im Arbeitsalltag? Wie kommen wir vom Konkurrenzdenken in eine echte Co-Kreation?
Ja, diese Grundhaltung stammt aus der psychologischen Methode der Transaktionsanalyse, mit der wir arbeiten. Zunächst geht es dabei darum, das Verhalten vom Menschen trennen zu lernen. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch OK ist und einen würdevollen Umgang pflegen sollte und auch verdient hat, dass er Menschenwürde von anderen erfährt.
Das heißt nicht, dass jedes Verhalten OK ist. Hier bedeutet es für den Alltag, seine Reflexionsfähigkeit zu schulen, seine Kritikfähigkeit zu entwickeln und sich seinen Narzissmus bewusst zu machen. Irgendwie tragen wir ja alle diesen Wunsch in uns, andere als OK zu sehen und uns selbst auch so zu verhalten. Aber wenn es im Paradies donnert, sei es wegen Stress oder Konflikten, geht das rasch vergessen. Hier braucht es auch eine gute Verzeihenskultur und gegenseitiges Wohlwollen in Unternehmen. Das stärkt die echte Verbundenheit und legt ein Fundament für ko-kreatives Arbeiten.
In eurer Fishbowl gab es einen großen „Painpoint – die Dienstplanerstellung. Gerade die Wochenenden sind oftmals schwer zu besetzen. Wo sollten man hier eurer Meinung ansetzen? Kann Co-Kreation hier unterstützen?
In Branchen mit „beliebten“ und „unbeliebten“ Arbeitstagen wie der Hotellerie oder dem Gesundheitswesen geht es sehr stark um ein gesundes Geben und Nehmen. Finanzielle Anreize für das Übernehmen von “unbeliebten” Schichten sind oft eher ein Pflaster.
Wir müssen wieder mehr lernen, unsere eigenen Bedürfnisse sozial verträglich zu äußern und zu verbindlichen Übereinkünften zu kommen. Oft hören wir „Die (oder der) nimmt sich immer die für sich günstigsten Tage raus und wir müssen nachgeben.“ Weshalb soll das hinter dem Rücken von anderen besprochen werden? Weshalb kann das nicht transparent bei der Dienstplanerstellung adressiert und zugemutet werden? Mehr radikale Ehrlichkeit würde hier meist helfen.
Dazu benötigen Teams aus sich selbst heraus und durch die Führung eine psychologische Sicherheit und tragfähige Beziehungen. Und das zu erarbeiten, braucht viel Sozialkompetenz, um nicht einfach zu sagen: „Alles ist gut“ und im Nachhinein das Destruktive, Hintergründige im Dunkeln auszuleben. Ko-Kreation ist insofern nicht etwas, das unterstützen kann, sondern sie ist das Resultat durchlebter gruppendynamischer Prozesse, die sich aus der Konkurrenz „Du oder Ich“ zu einem ko-kreativen „Du und Ich“ entwickeln.
Wie könnten vor allem Führungskräfte wie Spa-Manager:innen ihre Akkus einfach aufladen, damit gelegentliche Stürme im Paradies leichter bewältigt werden oder vielleicht gar nicht auftreten?
Seien wir ehrlich. Die Großwetterlage, steigende Fehlzeiten, der Fachkräftemangel und dazu noch individuelle Themen machen allen zu schaffen. Da kann lange über Resilienz referiert werden. Sicher kann sie individuell bis zu einem gewissen Maß aufgebaut werden. Aber irgendwann ist Schluss. Dann brauche ich die anderen, mein Umfeld. Kein Mensch ist eine Insel im Paradies, sondern wir sind auf unsere Mitmenschen angewiesen und suchen positive, tragfähige Beziehungserfahrungen. Ein gutes Gespräch, das tiefer geht, als sich über die ausgezeichnete Qualität des Kaffees oder den geteilten Ärger über einen Lieferanten auszutauschen. Das kann bis zu einem gemeinsamen Moment der Stille gehen, der verbindend erlebt wird und nicht eine „Awkward Silence“ ist. Verbundenheit stiftet bereits durch kleine alltägliche Momente. Das ist sicher ein Rezept, das Licht ins stürmische Paradies bringt.
Vielen Dank für das Interview, lieber Thomas Böhlefeld, kommitment.works und Armin Ziesemer, Synop-Sys Organisationsentwicklung.
TIPP: Armin Ziesemer und Thomas Böhlefeld haben für ihren Podcast „Mit Brille und Bart“ einen Rückblick zu 15-Jahre-SpaCamp gestaltet – vielen Dank!