Die Zukunft der Entspannung

21. Januar 2025

Cem Yücetas hat bei seiner SpaCamp-Session einen weiten Bogen von den Wellness-Anfängen bei den Römern bis zur Jetztzeit gespannt. Wir haben uns mit dem Diplom-Designer und Co-Founder von Aicall.io darüber unterhalten, wie Entspannung heute in einer Welt voller Sinnesreize möglich ist und welche Rolle Hirnforschung, Neuromarketing und Künstliche Intelligenz spielen.

Die Zukunft der Entspannung. Foto: Thitiporn – stock.adobe.com
Die Zukunft der Entspannung. Foto: Thitiporn – stock.adobe.com

Der moderne Mensch ist heute so vielen Sinnesreizen ausgesetzt wie noch nie. Kann echte Entspannung überhaupt noch gelingen und wenn ja, wie?

Ja, der Mensch kann noch entspannen, wenn die Umgebung bewusst gestaltet wird, um Stress zu reduzieren. Das Bedürfnis nach einer Wohlfühloase, um neue Kraft zu tanken, ist so alt wie die Menschheit. Moderne Spas setzen hier beispielsweise mit multisensorischen Ansätzen, wie Salzluft-Ruheräumen, die Meeresklima simulieren, gezielt an. Diese Umgebungen fördern die Atmung und schaffen eine beruhigende Atmosphäre, die den Gast direkt anspricht.

Als Diplom-Designer habe ich mich intensiv mit audiovisuellen Medien wie Film und Fotografie beschäftigt. In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr auf Neuromarketing spezialisiert und damit auf die Frage, wie sensorische Reize unser Verhalten beeinflussen. Ich bin bei Aicall.io eingestiegen, weil ich in solchen Systemen die Zukunft sehe. Es gibt kaum etwas Schlimmeres für einen Kunden, der auf der Suche nach Entspannung ist, aber niemanden erreichen kann. Geborgenheit und das Gefühl, aufgefangen zu werden, sind das A und O.

Unser Telefon-Bot für Hotels und Spas trägt dazu bei, Geborgenheit schon vor dem eigentlichen Besuch zu schaffen. Solche Systeme stellen sicher, dass immer jemand erreichbar ist, allgemeine Fragen direkt beantwortet und individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden – ein entscheidender Schritt, um Stress zu reduzieren und das Entspannungserlebnis von Anfang an zu verbessern.

Neuromarketing mit Cem Yücetas beim SpaCamp 2024. Foto: SpaCamp/Lukas Geu
Neuromarketing mit Cem Yücetas beim SpaCamp 2024. Foto: SpaCamp/Lukas Geu

Du beschäftigst dich intensiv mit Hirnforschung. Welche Emotionen lösen Farben, Düfte, Klänge, Berührung beim Menschen aus? Und welche Potentiale ergeben sich hier für das Spa und den Wellness-Bereich?

Es braucht eigentlich keine Hirnforschung, um zu verstehen, wie Farben, Düfte, Klänge und Berührungen auf uns wirken. Jeder, der sich mit diesen Themen auseinandersetzt, weiß, dass Grün beruhigend wirkt, Orange Wärme und Geborgenheit vermittelt und langsamer Rhythmus in der Musik meditative Zustände fördern kann. Auch der Einsatz von Holz- und Kräuterdüften in Finnischen Saunen unterstreicht das Gefühl von Naturverbundenheit und Erdung.

Hirnforschung wird spannend, wenn sie uns hilft, solche Prinzipien ins Bewusstsein zu rücken und konkrete Handlungsanleitungen daraus abzuleiten. So wissen wir heute, dass ein Überangebot von Optionen kontraproduktiv ist. Gäste, die überfordert sind, können keine klare Entscheidung treffen und verlieren womöglich das Gefühl der Entspannung.

Neuromarketing nutzt Emotion, um letztendlich Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Was sollte man hier beachten?

Neuromarketing ist kein magisches Werkzeug, das automatisch zu Verkaufserfolgen führt. Es basiert darauf, die Bedürfnisse und Emotionen der Kunden zu verstehen und diese gezielt anzusprechen. Emotionale Trigger wie Wärmeanwendungen, die den Gast entspannen, sind eine gute Möglichkeit, passende Produkte wie beruhigende Öle oder Kräuterbäder anzubieten. Wichtig ist jedoch, das Vertrauen der Kunden nicht zu missbrauchen.

Ein Überangebot oder das ständige Pushen von Produkten kann das Gegenteil bewirken und zu Ablehnung führen. Kunden dürfen nicht zu „kaufwilligen Zombies“ degradiert werden. Ein gutes Neuromarketing-Konzept respektiert die Intelligenz der Kunden und bietet klare, ehrliche und auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Empfehlungen.

Cem Yücetas, Diplom-Designer und Co-Founder von Aicall.io. Foto: Adam Drobiec
Cem Yücetas, Diplom-Designer und Co-Founder von Aicall.io. Foto: Adam Drobiec

Du hast gesagt, dass ein Überangebot die Entspannung eher hindert. Wie kann weniger mehr sein und welche Rolle könnte hier Künstliche Intelligenz spielen?

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein hervorragendes Werkzeug, um Angebote gezielter und individueller zu gestalten. Sie kann den Entscheidungsprozess für Gäste erleichtern, indem sie basierend auf Vorlieben und Erfahrungen passende Empfehlungen ausspricht. Gäste müssen nicht mehr durch lange Listen an Optionen scrollen, sondern bekommen direkt die besten Vorschläge.

Ein Beispiel: Eine KI-gestützte Spa-App könnte durch eine kurze Befragung die besten Angebote für jeden Gast zusammenstellen, etwa eine Kombination aus Hot-Stone-Massage und Wärmekissen für Gäste, die muskuläre Verspannungen lösen möchten. Gleichzeitig könnte die App Hinweise auf ergänzende Produkte geben, wie etwa Heizdecken für die heimische Nutzung.

Schauen wir in die Zukunft. Welche Rolle nimmt der/die menschliche Spa-Mitarbeiter:in in einer Zeit ein, die durchdrungen ist von Künstlicher Intelligenz?

Trotz aller technologischen Fortschritte bleibt die menschliche Komponente ein entscheidender Faktor. Wir sind soziale Wesen, und Nähe, Geborgenheit und Vertrauen können nur von Menschen authentisch vermittelt werden. Eine Massage, die individuell auf Bedürfnisse eingeht, oder der persönliche Rat eines Experten schaffen eine Bindung, die Maschinen nicht vollständig ersetzen können.

Gleichzeitig dürfen wir uns nichts vormachen: Neue Technologien werden genutzt werden, insbesondere wenn sie kostengünstiger und effizienter sind. Kameras könnten kleinste Gesichtsausdrücke und Emotionen erkennen und, kombiniert mit Daten wie Puls oder anderen biometrischen Informationen, genau vorhersagen, welche Behandlung, welche Getränke oder welche farbliche und musikalische Umgebung ein Gast gerade benötigt. Solche Systeme werden besonders im Upselling von personalisierten Angeboten eine Rolle spielen und die breite Masse einfacher und schneller erreichen.

Während KI-basierte Systeme Routineaufgaben und personalisierte Empfehlungen übernehmen, könnte menschliche Qualität zu einem Luxus werden. Gleichzeitig entstehen wahrscheinlich Nischenangebote, wie KI-freie Zonen, die gezielt Authentizität und menschliche Nähe in den Vordergrund stellen.

Auch wir bei Aicall.io erleben, wie stark die Nachfrage nach technologischen Erweiterungen wächst, um Dienstleistungen im Spa-Bereich besser zu definieren. So kommen Anfragen, wie der Bot spezifische Anforderungen von Spa-Gästen – von individuellen Präferenzen bis hin zu personalisierten Empfehlungen – noch besser umsetzen kann. Das zeigt, wie sehr die Branche auf technologische Unterstützung setzt – immer mit dem Ziel, die Gästeerfahrung zu verbessern.

Vielen Dank, lieber Cem Yücetas für den Einblick in das Thema Neuromarketing und den kleinen Ausblick in die Zukunft.


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