Das Trickster-Mindset als Elixier zur beherzten Tat

6. Juni 2023

Armin Ziesemer ist leidenschaftlicher Märchenerzähler, Coach und Podcaster. Beim SpaCamp 2023 wird er uns bei seinem Inspirational Talk auf eine wundersame Reise mitnehmen. Wir haben uns schon jetzt mit dem gebürtigen Schweizer darüber unterhalten, was wir in unserer Arbeitswelt von mythischen Figuren lernen können und wie man entsprechend unseres Mottos „Staunen, lernen, machen!“ mit dem Trickster-Mindset ins Tun kommt.

Der Trickster löst am Ende die größten Aufgaben, listig mit Bravour. Foto: AdobeStock/Marius/Generiert mit KI
Der Trickster löst am Ende die größten Aufgaben, listig mit Bravour. Foto: AdobeStock/Marius/Generiert mit KI

Armin, du bist zertifizierter Märchenerzähler für Erwachsene. Warum sind Märchen in unserer modernen Zeit wesentlich für Menschen, auch im Arbeitsprozess?

Ich sehe drei Trends, bei denen die Arbeit mit Märchen eine Gegenbewegung unterstützen kann:

  • Erstens vernachlässigen wir die Innenschau durch Auswirkungen der Digitalisierung und die zunehmende Orientierung nach außen. Wir entfremden uns von uns selbst.
  • Zweitens ist Einsamkeit das Monster der Moderne. Auch nach den Pandemiejahren stagniert die soziale Isolierung. Alone in the crowd ist hier das Stichwort. Wir verlernen, Arbeits- und Kundenbeziehungen genauso wie private bewusst und gelingend zu gestalten.
  • Und drittens werden organisationale Anforderungen weiter unreflektiert standardisiert und – das Menschliche, insbesondere in der Führungsarbeit, gerät in den Hintergrund.

Wenn auch gesellschaftliche Entwicklungen wie New Work frühe, menschliche Bedürfnisse nach Sinnstiftung, mehr Selbstwirksamkeit und Bezogenheit betonen, steigen die psychosozialen Belastungen und Fehlzeiten in Unternehmen weiter an. Nach Bergmann suchen aktuell Autoren wie Gerald Hüther Antworten auf den Übergang von einer Ich-zentrierten Arbeitswelt hin zu einem beziehungsorientierten Verständnis von Arbeit. Dafür braucht es ein neues Menschenbild, in dem ko-kreative Verhaltensweisen sowie connectedness mehr zählen als Konkurrenz und Spaltung, um Zeitfragen zu bewältigen.

In diesen Spannungsfeldern bedarf es tiefenwirksamer Ansätze zur Persönlichkeitsentwicklung. In meiner Arbeit erfahre ich immer wieder, dass in diesem komplexen Kontext die uralten Märchenmotive vermögen, das Ursprünglich-Ewige in uns selbst zu stärken, unsere Beziehungen zu beleben und ethisches Handeln zu orientieren.

Märchenerzähler Armin Ziesemer. Foto: Patrick Langwallner
Märchenerzähler Armin Ziesemer. Foto: Patrick Langwallner

Du eröffnest das SpaCamp 2023 mit einem Inspirational Talk. Dabei geht es um das sogenannte „Trickster-Mindset als Elixier zur beherzten Tat“. Was ist ein Trickster und in welcher Gestalt kann man sie/ihn im Hotel oder im Spa entdecken?

„Der Trickster vollbringt große Taten mit fundamentalen gesellschaftlichen Auswirkungen. Im Märchen kennen wir den „dummen Hansl“. Man traut ihm nichts zu und doch löst der vermeintliche Narr, die wohl bekannteste Gestalt des Tricksters, am Ende die größten Aufgaben listig mit Bravour.

Da die alte Mythenforschung sich dominant auf den Helden konzentriert, sind meist männliche Trickster beschrieben. Üblicherweise sind sie jedoch keinem Geschlecht zuzuordnen; denn sie treten gerne als Formwandler auf. Solche finden wir im „Beorn“ in ‚Der Hobbit‘, in den „Wechselbälgern“ bei Star Trek und bis weit in die Überlieferungen über den „Windigo“ nordamerikanischer Ureinwohner.

Erst in jüngerer Zeit werden auch weibliche Trickster enttabuisiert. In der Literatur werden amoralische, sinnlich verführerische Frauengestalten, die Femmes fatales, betont. Die US-amerikanische Filmschauspielerin Mae West oder im 19. Jhdt. die irische Tänzerin Lola Montez sind prägnante Vertreterinnen. Letztere löste mehrere Skandale aus, wenn sie Zigarre rauchend mit ihrer Dogge Turk durch München zog. 2013 widmete ihr die Band Volbeat in ihrem Song eine neuzeitliche Widmung.

Übertragen auf die heutige Psychologie sind es Menschen, deren Unternehmungslust deutlich erhöht ist. Sie sind schlagfertig, hemmungslos neugierig und vom unbezähmbaren Drang beherrscht, alles auszuprobieren. In Vollkatastrophen reagieren sie mit kindlichem Staunen. Sie sind Spezialisten im Erproben und Anwenden immer neuer Bewältigungsstrategien.

Ich glaube, wenn du in dein Umfeld schaust, wirst du bald fündig, wer sich im Hotel oder im Spa so verhält. Die Frage ist: Wie können sie ihre kreativen Potenziale konstruktiv nutzen lernen und in Change Managementprozesse einbringen? Denn ich meine, es sind ihre Energien, die heute notwendigen, radikalen Wandel beflügeln und oftmals unterdrückt werden. Glauben wir mythologischen Überlieferungen, gestalten sie ihren Weg erfolgreich, aktiv und autonom: Wenn nicht in deiner Organisation, dann in einer anderen.

Unser SpaCamp-Motto in diesem Jahr lautet „Staunen, lernen, machen!“ Wie kann das Trickster-Mindset unterstützen, ins Tun zu kommen?

Ich finde das diesjährige Motto wunderbar gewählt. Es drückt ein Zaubermärchen in drei Worten aus. Zunächst gilt es zu beachten, dass die Handlung des Märchens strikt vorwärts verläuft. Die Hauptprotagonisten lernen fortwährend im Hier und Jetzt.

Eine Märchengestalt erinnert sich nicht. Sie erhält Gaben, ohne zu wissen wozu. Sie nimmt dankbar an und wenn der richtige Moment kommt, nützt sie sie glücklich.

Die Transaktionsanalyse, die psychologischen Methode, mit der ich arbeite, kennt die ‚Ich-Zustände‘. Sie sind Einheiten des Denkens, Fühlens und Handelns.

Das Trickster-Mindset stellt lediglich einen wählbaren ‚Ich-Zustand‘ dar, den die Transaktionsanalytiker gerne als ‚Kleiner Professor‘ bezeichnen. Das Wunderbare ist, dass wir ihn aktivieren können. Spontaneität, Humor, eine sorglose Verbundenheit zum Leben oder der fröhliche Neubeginn nach einem Rückschlag sind einige seiner Ressourcen.

Wir können neue Verhaltensweisen üben oder uns ihr Potenzial in einem Coaching bewusst machen oder unsere Organisation darauf ausrichten. Gerade Führungskräfte erlebe ich oft durch eine hohe Arbeitslast mutlos und gelähmt. Da mag eine Haltung, die ein gesundes, kindliches Urvertrauen ausstrahlt, in schwer erscheinenden Situationen Handlungsfähigkeit sichern.

Armin Ziesemer beim Märchenerzählen. Foto: Armin Ziesemer
Armin Ziesemer beim Märchenerzählen. Foto: Armin Ziesemer

Dies soll nicht als naive Unbekümmertheit verstanden werden, sondern als Haltung zur Zuversicht, die der Individualpsychologe Alfred Adler mit den Worten beschreibt: „Das Schönste, was eine Fee einem Kind in die Wiege legen kann, sind Schwierigkeiten, die es überwinden muss.“

Beim SpaCamp im Das Achental geben wir Anstöße und haben uns dafür auch schon etwas Besonderes einfallen lassen. Worauf dürfen sich die Teilnehmer:innen freuen?

Es ist mir bewusst, dass gerade bei Fachkräftemangel der Arbeitsalltag eine mentale und physische Herausforderung sein kann.

Im Wandel der Arbeitswelt, so bin ich überzeugt, benötigen wir eigenverantwortliche Menschen, die sich gesund abzugrenzen wissen und gleichzeitig in Beziehung bleiben.

Sie sollen sich konstruktiv zumuten und als Führungskraft mit innerer Bereitschaft da sein, um in herausfordernder Zeit aufzubrechen und Neues zu wagen.

Und da zeigt das Volksmärchen, wie wir auf Irrwege und Sackgassen mit einem lustvollen Fingerzeig uns und unsere Mitarbeitenden zum einen oder anderen Trickstermoment führen und wo möglich für gästefreundliche Überraschungsmomente sorgen können.

Über deine Tätigkeit als Gründer der Kulturinitiative maerchenimleben.com hinaus, bist du Organisationsentwickler, Business Coach und sehr erfolgreicher Co-Podcaster von „Mit Brille und Bart“. Wie bekommst du all das unter die „Brille“ äh, den „Hut“?

Ein Zitat von Nietzsche, das mich durch die Recherche berührt, lautet:

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Friedrich Nietzsche

Womöglich ist es die vielseitige Tätigkeit und Selbstreflexion, die mich zum Motiv dieses Inspirational Talk geführt hat und mich befähigt, diese Hüte immer wieder zu wechseln.

Als Organisationsentwickler und Business Coach spiegle ich gerne Paradoxien in persönlichen oder organisationalen Systemen. Der Umgang mit Widersprüchen und gegenläufigen Rollen ist eine bedeutsame Herausforderung für heutige Menschen in Verantwortung. Und ich bin als Gründer und Unternehmer dabei keine Ausnahme.

Wer selbst ein Unternehmen gegründet hat, weiß, dass neue Ideen Geduld und Ungeduld gleichermaßen benötigen, um in dieser Welt Realität zu werden. Es geht oft gleichwürdig um das Gewinnen und Nicht Gewinnen. Gerade in der Podcast-Arbeit sind es die ausgewogenen Dialoge, die nähren.

Es ist mir in meiner Professionalität wesentlich, in einer ungewissen Zeit, mit mir selbst und für meine Kundschaft sinnstiftend und wertschöpfend unterwegs zu sein. Diese Haltung trägt mich.

Deshalb danke ich auch dir für die besondere Aufgabe zu diesem Inspirational Talk, der für mich ein weiteres Stück Lernweg ist, um Inspirierendes aus der Mythologie für die wunderbaren Menschen am SpaCamp aufzubereiten.

Vielen Dank Armin, dass du uns schon ein Stück Weg mitgenommen hast in die Welt der Märchen und der Tricksters. Auch Spa-Manager:innen sind in gewisser Weise Formwandler:innen, da sie sich zwischen den Welten bewegen. Auf der einen Seite die Welt der Zahlen, Wirtschaftlichkeit, Fakten und Medizin, auf der anderen Seite die Welte der Emotion, der Berührung bis hin zur Spiritualität. Wir freuen uns schon auf viele inspirierende Gedanken beim SpaCamp 2023!


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