Mehr Schein als Sein? Die Bedeutung von Spa-Behandler*innen für die Wellness-Zukunft. Interview Lutz Hertel, Roland Janauschek

2. Juli 2019
Welcher Stellenwert kommt Spa-Behandler*innen in der Wellness-Branche derzeit zu und wie wird sich dieser zukünftig entwickeln? Wir haben mit Roland Janauschek, Badehaus Bremen, und Lutz Hertel, Deutscher Wellness Verband, über Ausbildungsstandards für Spa-Behandler*innen gesprochen und darüber, wie man dem Fachkräftemangel etwas entgegenwirken kann.

Die Bedeutung der Spa-Behandler*innen für die Zukunft der Spa-Branche. Foto: Badehaus Bremen

Die Bedeutung der Spa-Behandler*innen für die Zukunft der Spa-Branche. Foto: Badehaus Bremen

Auf welche Behandler*innen kann der Gast in Spas treffen und welche Ausbildung haben sie?

Roland Janauschek: Fangen wir mit den drei klassischen Ausbildungsberufen an. Hier gibt es die Physiotherapeut*innen, Masseur*innen und Kosmetiker*innen, welche aber immer weniger zur Verfügung stehen. Dann gibt es Behandler*innen mit unterschiedlichen, nicht verbindlich geregelten Berufsbezeichnungen wie Wellnesstherapeut*innen sowie Lebenskünstler*innen, die irgendwo auf der Welt etwas gelernt haben. Und zuletzt gibt es noch Behandler*innen aus dem Ausland, mit teils schwer oder gar nicht einschätzbaren Ausbildungen.

Welche Unterschiede gibt es in Österreich und Deutschland?

Roland: In Deutschland unterstehen Massagen im Wellnessbereich keiner Regulierung. In Österreich gibt es neben den längeren Ausbildungen eine halbjährige Vollzeitausbildung zum/-r gewerblichen Masseur*in und es muss pro Massagebetrieb wenigstens eine Person diese Ausbildung haben.

Es gibt ja viele verschiedene Spa-Behandlungen. Welche Qualifikation braucht man für welche? Habt ihr ein paar Beispiele für die Leser*innen?

Roland: Leider bedarf es keiner Qualifikation, jeder darf heute alles. Mein Bereich ist ja in erster Linie Massage und da ist mein liebstes Negativbeispiel der Topseller Rückenmassage. Da wünscht die Kundschaft sich natürlich meistens eine therapeutisch ausgebildete Fachkraft. Die gibt es aber selten und darunter leiden dann die Qualität und der Ruf unserer Branche. Und so hört man immer wieder von Kund*innen, sie seien bei der Wellnessmassage lediglich eingeölt worden.

Lutz Hertel: Die meisten manuellen Spa-Behandlungen fallen in zwei Kategorien: Kosmetik und Massagen. Ich möchte jetzt nur über Massage sprechen. Vorschriften zur Qualifikation für solche Treatment-Tätigkeiten in der Spa-Branche gibt es in Deutschland keine, das hatte Roland ja schon festgestellt. Zertifikate darf in Deutschland jeder ausstellen, was für mich ein unhaltbarer Zustand ist. Du kannst dir dein Ausbildungszertifikat als Masseur*in sogar bei Ebay kaufen, ohne überhaupt an irgendeiner Schulung teilgenommen zu haben. Der Deutsche Wellness Verband hat vernünftige Standards für Bildungsangebote im Wellness- und Spa-Bereich formuliert, an denen sich jeder im Markt orientieren kann. Auf Wunsch prüfen und zertifizieren wir die Angebote auch nach diesen Standards. Kaum ein Bildungsanbieter in unserer Branche stellt sich aber gerne freiwillig einer kritischen und kompetenten Überprüfung.

Welche Vor- und vielleicht auch Nachteile hätte ein Ausbildungsstandard für die Spa-Branche?

Sessionleiter Roland Janauschek bei der SpaCamp-Session 2018. Foto: SC/DH STUDIO, Dirk Holst

Sessionleiter Roland Janauschek bei der SpaCamp-Session 2018. Foto: SC/DH STUDIO, Dirk Holst

Roland: So wie sich die Branche der Wellness- und Spa-Betriebe für mich derzeit darstellt, halte ich einen allgemein verbindlichen Ausbildungsstandard für derzeit unrealistisch. Tolle Fotos des Wellnessbereiches sind diesen Betrieben im Marketing enorm wichtig, was dort zwischen Mensch und Mensch genau passiert, anscheinend nicht.

Für die Betreiber hat die Suche und Beschäftigung von wirklich qualifizierten Spa-Fachkräften wohl nur Nachteile: Sie müssen sich mit der Thematik befassen und das bedeutet Zeit und Mühe. Dann müssen sie Geld in die Hand nehmen und das entsprechende Personal suchen, finden, oft noch weiter ausbilden, es auch besser bezahlen als bisher und mehr wertschätzen. Gute Behandler*innen sind eher zarte Gemüter und nicht so einfach zu führen. Das ist also ein langer und beschwerlicher Weg.

Die Vorteile: Ein Spa hat mit gut ausgebildeten Fachkräften einen USP, das ist ein enormer Wettbewerbsvorteil. Die Kundschaft wird dankbar sein und nicht mehr woanders hinwollen. Mit einem qualifizierten Team lässt sich auch ein hochwertigeres Spa-Menü erstellen und ausführen, was dem Kundenwunsch nach Ganzheitlichkeit und Individualität entspricht.

Wie ist deine Meinung dazu aus Sicht des Deutschen Wellness Verbandes, Lutz Hertel?

Sessionleiter Lutz Hertel beim SpaCamp 2018 in Hessen. Foto: SC/DH STUDIO, Dirk Holst

Sessionleiter Lutz Hertel beim SpaCamp 2018 in Hessen. Foto: SC/DH STUDIO, Dirk Holst

Ein Ausbildungsstandard würde viel mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von Qualität bewirken und das ist leider nicht unbedingt erwünscht. Es ließen sich aus einer ordentlichen Qualifikation auch faire – also in der Regel höhere – Vergütungsansprüche für die Spa-Workers herleiten. Das wiederum ist ein weiteres Risiko für die Arbeitgeberseite. Von großem Vorteil wäre demgegenüber die verbesserte Sicherheit beim Recruiting. Wer zum Beispiel eine vom Deutschen Wellness Verband standardisierte Ausbildung für Spa-Treatments mit Erfolg abgeschlossen hat, besitzt mit hoher Wahrscheinlichkeit genau diese Fertigkeiten und kann ab Tag eins zu 100 Prozent einen erstklassigen Job abliefern. Ein weiterer Vorteil: Die Ausbildungsinhalte können verbindlich auf die Anforderungen der Wellness- und Spa-Betriebe abgestimmt werden. Die Branche bekäme genau die Fachkräfte, die sie gerade benötigt.

Fachkräfte in Spa-Hotels sind heiß begehrt. Habt ihr Ideen, was man dem Fachkräftemangel entgegensetzen könnte?

Roland: Aus Sicht des Badehauses kann ich Folgendes sagen: Unsere Mitarbeiter*innen sind alle extern intensiv in Workshops für die spezifischen Massagetechniken ausgebildet. Außerdem stehen wir im engen Kontakt und Austausch mit den regionalen Schulen für Physiotherapie, um das Personal der Zukunft schon während der Ausbildung für den Job zu begeistern. Was das Gehalt betrifft, orientieren wir uns an den ortsüblichen Gehältern für Physiotherapeut*innen. Es hapert jedoch noch mehr am Image unserer Branche als an der Bezahlung. Dass z.B. ein Wochenendkurs ausreicht, um in einem Spa zu arbeiten. Oder dass es oft kaum oder gar keine Fortbildungen und Weiterentwicklungen für die Spa-Teams gibt. Wenn man also keine besonderen Fähigkeiten braucht, um diesen Job auszuführen, dann ist der Job auch wenig attraktiv.

Aber, es gibt andererseits so viele Menschen, die sehnen sich nach einem Arbeitsplatz, dessen Werte exakt denen eines gut geführten Spas entsprechen. Und diese Personen haben gar keine Ahnung, was ein Spa überhaupt ist und dass sie hier ihre Erfüllung finden könnten. Die werden mit ihrer Sehnsucht dann zum Beispiel Yogalehrer*in und das gewiss nicht des Geldes wegen.

Wenn die Spa-Branche sich anschauen würde, was die Kund*innen wirklich wollen: Ganzheitlichkeit, Zuwendung, therapeutische Kompetenz, Gesundheit, Harmonie, Herzlichkeit …

… und wenn sie ihr Personal nach diesen Kriterien ausbilden lassen würde, dann wäre die Spa-Branche für viele großartige Menschen, die beruflich auf der Sinnsuche sind, die perfekte Destination.

Wie siehst du hier die Zukunft, lieber Lutz?

Ich glaube nicht daran, dass es der Spa-Branche jemals gelingen wird, in nennenswerten Größenordnungen fachlich gut qualifizierte Physiotherapeut*innen an sich zu binden. Sie sind für mich auch nicht unbedingt die perfekte Besetzung für den Treatment-Bereich. Wenn es um Massagen geht, dann glaube ich eher daran, dass wir die sonstigen „Künstler“, die mit viel gutem Spirit unterwegs sind, für die Arbeit in guten Spa- und Wellness-Betrieben fit machen müssen. Denn von diesen Menschen gibt es viele und sie bringen genau die Empfänglichkeit für das mit, was die Spa- und Wellness-Kunden suchen.

Für mich liegt die Lösung in einem standardisierten, ökonomisch umsetzbaren Ausbildungskonzept für Spa- und Wellness-Bodyworker, wofür man als Voraussetzung eben nicht Physiotherapeut*in sein muss. Wir wissen doch aus der Praxis, dass es in unserer Branche um so viel mehr geht als nur darum, die Massagegriffe korrekt zu beherrschen. Wenn wir dann noch geeignete Lehrbetriebe für eine solche handwerkliche Grundausbildung finden, die sich damit auch ihren eigenen Nachwuchs sichern könnten, wäre das eine erfolgversprechende Lösung im Schulterschluss von Branchenverband, Wellness-/Spa-Unternehmen und Vertragsschulen.

Vielen Dank, Roland Janauschek und Lutz Hertel, für eure Offenheit und Einschätzungen zu eurem brisanten Session-Thema vom SpaCamp 2018.


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