Real or Fake? Wie authentisch muss ein Spa sein? Interview mit Innenarchitekt René Pier.
„Was sucht ein Buddha im deutschen Spa?“, war eine provokante Frage beim vergangenen SpaCamp. Warum siehst du diese Entwicklung kritisch?
Menschen erschaffen Zeichen, um die sichtbaren und unsichtbaren Eigenschaften der Welt zu abstrahieren und dadurch erfassbar zu machen. Manche Zeichen sind je nach kulturellen Kontext religiös codiert. Nimmt man solch ein Zeichen und entreißt es seinem Kontext, wird es inhaltsleer oder wird seinen Sinn los. Eine Buddha-Statue aus dem spirituellen Kontext entrissen, wird zur inhaltsleeren Dekoration. Ein Buddha im Garten wird zum modernen Gartenzwerg. Im Spa soll eine dekorative Buddha-Statue ein Garant für alles irgendwie Asiatische sein oder spirituellen Chic vermitteln. Das alles ist verfremdend und wird dem Wesen dieses Zeichens nicht gerecht.
Gibt es deiner Meinung nach Beispiele, wo ein Buddha auch authentisch passt und was ist dafür notwendig?
Wenn man den Buddha als Zeichen des Buddhismus, in der Abbildung der historischen Person Siddhartha Gautama, verwendet und eine Brücke zur Herkunft herstellt, kann man durchaus auch in Deutschland Buddha-Statuen aufstellen. Wenn man den Respekt erweist, der solch einem kulturellen Zeichen entgegengebracht werden sollte, dann kann es sogar richtig sein, dies zu tun. Beispiele gibt es genug, bei denen die Statue als Meditationsfokus genutzt wird und die verschiedenen Darstellungen des Buddhas auch dazu eingesetzt werden, wofür diese im Laufe der Kulturgeschichte entwickelt wurden. Dann fühlt es sich richtig an, auch wenn man Meilenweit entfernt von Asien ist.
In deiner Session wurde auch über Virtual Reality im Spa-Hotel der Zukunft diskutiert. Wie stehst du dazu? Gibt es hier schon ernstzunehmende Beispiele?
Im Hotel-Entertainment ist VR schon jetzt ein Faktor, der immer weiter Verbreitung finden wird. Gerade komme ich von unserer Baustelle in Ägypten zurück nach Stuttgart und wir werden jetzt für den Hotelneubau ein Informationszentrum innerhalb des neuen Hotels gestalten, in dem man am Roten Meer schon einen kompletten Rundgang durch das neue Ägyptische Museum in Kairo machen kann – ohne sich vom Fleck zu bewegen.
Im Spa geht es noch darum, den richtigen Content zu finden. Aber ich bin sicher, dass dieser schon jetzt in irgendeiner VR-Produktionsfirma vorbereitet wird. Dann werden Spa-Kosmetika angeboten werden, zu deren Anwendungen eine komplette VR-Reise synchron zu erleben ist.
Auf der ITB in Berlin vorige Woche wurden auf dem Expertenforum Wellness von der Wellnesshotels- und Resorts GmbH die neuen Zahlen des Wellnessmonitors 2019 bekannt gegeben. 25% aller befragten Teilnehmenden erklärten die Wichtigkeit von mentalstärkenden Angeboten im Spa. Vor allem die Gruppe der unter 40jährigen (30%), wünscht sich solche Angebote. Hier können VR-Entspannungsformate sicher mit positiven Effekten eingesetzt werden.
Muss ein Spa-Hotel zwangsweise regionale Elemente mit aufnehmen, um authentisch zu sein? Wird dadurch nicht wieder alles austauschbar – Stichwort „Alpin-Chic“?
Authentizität ist ein sehr elastischer Begriff und stammt aus einer Zeit, in der man vom Menschen gemachte Kunstwerke von denen unterschieden hat, die göttlichen Ursprungs waren. Als „Wahres Zeichen“ (Vera Icon) galt z.B. das Antlitz Jesu nach dem Schweißtuch der heiligen Veronika oder andere Reliquien. Heute wird der Begriff hauptsächlich dafür verwendet, wenn eine Inszenierung als wahr oder echt anerkannt wird.
Dies ist nun die Schwierigkeit. Etwas kann in einem objektiven, wissenschaftlich nachprüfbaren Sinn als Fälschung (Fake) deklariert werden, wenn es sich dennoch „echt“ anfühlt, würde man das dann trotzdem authentisch nennen. Es kommt also darauf an, eine stimmige Geschichte zu erzählen und ein in sich stimmiges Geflecht von Erlebnissen zu gestalten. In den touristischen Regionen Deutschlands und angrenzender Europäischer Länder werden viele Hotels und Spa-Anlagen von Familien geführt.
Hier steht schon deren Individualität und Persönlichkeit bereit, um die Herleitung der Geschichte zu einer unvergleichbaren Gestaltung zu begründen.
Die Orte und deren Bewohner sind so vielfältig, wie die Menschen selbst. Es sollte daher genügend Material vorhanden sein, um Geschichten zu recherchieren und in räumliche Gestaltung umzusetzen. Dies ist eine der Kernaufgaben unseres Büros.
Für dich sind Innenarchitekten Geschichtenerzähler. Was unterscheidet ein Spa ohne Story von einem Spa mit Story? Hast du positive Beispiele?
Auf dem letzten SpaCamp sagte eine Teilnehmerin meines Workshops, Menschen wollen berührt und nicht verführt werden. Damit ist eigentlich alles gesagt. Ein Spa mit einer nachvollziehbaren hintergründigen Geschichte berührt den Gast. Ein Spa ohne Herleitung, ohne Seele kann nur mit Dekoration verführen. Diese Herangehensweise wird aber von jedem schnell durchschaut. Das Ergebnis ist die Tatsache, dass man sich nicht noch einmal in solch eine Verführung begeben will und diesem Spa dann eher fern bleibt.
Abschließende Frage: magst du uns verraten, an welchem Projekt du im Moment arbeitest?
Neben unserem Hotelneubau in Ägypten und anderen Bauten im Bereich Hospitality in Deutschland, entwickeln wir von Schienbein + Pier Konzepte für den Bereich „Gesundes und Erfolgreiches Arbeiten“. Das hat im weitesten Sinne auch mit Wellness zu tun. Nur wer geistig entspannt ist, kann kreativ arbeiten und Kreativität ist heute in jedem Arbeitsfeld wichtiger als früher. Das Global Wellness Institut lässt jedes Jahr Studien zusammenstellen, die sich mit „Work Wellness“ beschäftigen. Diese theoretischen Ansätze im Raum anzuwenden, daran arbeiten wir.
Vielen Dank, René Pier, für die Einblicke in deine Arbeit. Wir sind gespannt, wie sich das Thema Storytelling im Spa weiterentwickeln wird!