Kein Fachkräfte-Mangel, sondern zu wenige attraktive Arbeitgeber?
Alle reden vom Fachkräfte-Mangel, doch wie steht es um die Attraktivität der Arbeitgeber? Gibt es zu wenige davon oder vermarkten sie sich nur nicht gut genug? Keven Prünster hat für seine SpaCamp-Session einen bewusst provokanten Titel gewählt. Wir haben beim Spa-Manager und stv. Hoteldirektor im A-Rosa Kitzbühel genauer nachgefragt, was Stellenausschreibung heute brauchen, welche Benefits wirklich Sinn machen und wie das Onboarding im Spa-Team gelingt.
Lieber Keven, gibt es wirklich zu wenige attraktive Arbeitgeber in der Hotellerie oder üben diese schlichtweg zu wenig Anziehung auf Talente aus?
Ich bin mir ganz sicher, dass die Hälfte aller Betriebe, die auf der Suche nach Teammitgliedern sind, schon in den Ausschreibungen, Anzeigen oder über Social Media uninteressant und blass wirken. Hier ist absolut mehr Selbstbewusstsein, Kreativität und Attraktivität im Auftritt und in der Haltung gefragt. Recruiting ist auch Chefsache, denn Gewinner ziehen Gewinner an. Also sollte man sich bestenfalls selbst darum kümmern und definieren, wen man genau sucht.
Die Frage, die sich dann stellt, ist, welche Mitarbeiter:innen passen nicht nur fachlich, sondern auch menschlich in unser Team und unsere Strukturen. Genau auf diese Menschen muss eine Stellenanzeige zugeschnitten werden. Ich als Chef möchte in erster Linie Kolleg:innen und Teammitglieder, die mit mir gestalten und der gemeinsam verbrachten Zeit Sinn geben und nicht nur Spezialisten, die abarbeiten, aber nicht die Vision teilen.
Der menschliche Part wird viel zu oft unterschätzt. Wenn wir langfristig Mitarbeiter:innen an unsere Betriebe binden wollen, ist die menschliche und soziale Kompetenz noch wichtiger als die fachliche.
Welche Benefits erwarten Mitarbeiter:innen heute wirklich? Oder geht es im Endeffekt nicht einfach nur um echte Wertschätzung?
Derzeit erfreuen sich Benefits großer Beliebtheit. Aber aufgepasst, Benefits ersetzen nicht die gesunde Arbeitgebervision. Den größten Mehrwert, den man einem Mitarbeitenden bieten kann – und dieser sollte die Basis sein – ist, ihm die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit vor Augen zu führen, sowie ihm ein Gefühl der Zugehörigkeit zu geben und damit die Bedeutsamkeit für das Große und Ganze. Leider ist es zu oft der Fall, dass Mitarbeiter:innen keinen oder zu wenig Sinn in ihrer Arbeit sehen und sich ungehört und unbeachtet fühlen. Viele Mitarbeitende dürfen sich nicht einbringen, werden nicht gehört und nicht gesehen.
„Die Basis, also das Fundament der Zusammenarbeit muss es sein, Spaß und Sinnhaftigkeit bei der Arbeit zu haben. Erst danach können wir die Torte mit den oft promoteten Benefits, wie Fitnessstudio, Teamausflüge, moderne Kantine, Ausbildungen, Ermäßigungen usw. garnieren.“
Du hast in deiner SpaCamp-Session klar gestellt, dass das bestehende Team die Basis für neue Mitarbeiter:innen ist. Wie fühlen sich neue Kolleg:innen gleich mal wohl?
Ich bekomme immer wieder von meinen Kolleg:innen gesagt, wie wichtig ihnen das Team und die gute Stimmung ist. Jedes unserer Teammitglieder ist für die gute Atmosphäre in unserem Team im A-Rosa Kitzbühel mitverantwortlich. Es muss selbstverständlich auch jedem bewusst gemacht werden, dass jeder für die gute Stimmung seinen Beitrag leisten muss und der respektvolle Umgang miteinander entscheidend ist.
Das heißt, neue Kolleg:innen werden von Anfang an aktiv einbezogen, es wird ihnen aus dem Team heraus Hilfe angeboten, und jeder fungiert als Vorbild und Buddy. Nicht nur der/die Abteilungsleiter:in hat eine Vorbildfunktion, jeder Kollege im Team beeinflusst das Tun und Handeln seines Umfelds enorm.
Es gibt das bekannte Beispiel mit der Schüssel Äpfel: ein fauler Apfel kann viel im Team kaputt machen. Genauso können positiv gestimmte Mitarbeiter andere Teammitglieder unbewusst beeinflussen und eine kollegiale Atmosphäre schaffen. Dass es den faulen Apfel auch gibt, will ich gar nicht bestreiten, denn nicht immer passt man in ein Team oder zu der gelebten Philosophie. Aber grundsätzlich muss das Bemühen da sein, den neuen Kollegen, die neue Kollegin von der ersten Minute an zu integrieren.
Ihr betreibt einen eigenen Mitarbeiter-Account auf Instagram. Welche Rolle spielt dieser Kanal für euer Recruiting und die Mitarbeiter-Loyalität. Was ist hier zu beachten?
Unser Instagram-Account ist im Recruiting für SPA-Mitarbeiter nicht mehr wegzudenken. Alle unsere neuen Kolleg:innen informieren sich vorab auf diesem Kanal und können durch die Bilder und die Clips unseren Spaß, unsere Umgebung und unseren Spirit spüren. Der Kanal ist einfach gehalten und wird eben nicht von einer Profi-Agentur betrieben. Somit ist alles echt und oftmals wie ein Blick durchs Fenster, hinein zu uns ins Team. Außerdem, möchte nicht jede/r aus unserer Branche ein/e SPA-Expert:in sein?
Du hast gesagt, dass es im Spa-Hotel möglich ist, Talente oder sogar das eigene Hobby mit einzubringen. Hast du hier Beispiele und wie erkennt man verborgene Talente?
Das Management braucht eine wichtige Fähigkeit, nämlich Empathie und die Neugier jede/n Mitarbeiter:in als Menschen zu sehen. Vergleichbar ist das mit einem beschriebenen Blatt, das gelesen werden muss, bevor man genau weiß, wer da für einen arbeitet und was dieser jemand alles mitbringt. Was macht den/die Kolleg:in aus und wofür interessiert er/sie sich? Wenn mir das wichtig ist, dann bin ich auch offen für die Geschichten, die ich höre und kann auch ein Umfeld schaffen, in dem Menschen mehr von sich zeigen als nur die reine Arbeitskraft.
Ich bin mir sicher: in jedem Hotelteam gibt es großartige Talente und wo sonst, als in einem Hotel haben es diese Talente leichter, sich einzubringen, eine Chance zu ergreifen oder zu experimentieren. Bei uns arbeitet ein begnadeter Sänger und Musiker im Housekeeping, er steht aber auch bei uns auf der Bühne und jeder der ihn gehört hat sagt, “krass” was für ein Talent!
Unsere Rezeptionistin ist auch Wanderführerin, ein weiteres Talent backt und kreiert fantastische Hochzeitstorten. Einer unserer Barkeeper war Boxprofi und macht super erfolgreich Personaltrainings im SPA. Es gibt noch weitere Beispiele und gerne lade ich alle Leser:innen herzlich zu uns ins Hotel ein, um besser zu verstehen, wovon ich spreche. Unser A-Rosa-Spirit ist wirklich ansteckend und ermutigt dazu, man selbst zu sein.
Neuen Kolleg:innen, die nach kurzer Zeit wieder gehen, ist diese Offenheit und unkonventionelle Art vielleicht fremd, und nicht selten ist deren nächstes Ziel ein ganz klassisches Haus mit strengen Hierarchien. Auch das gibt es.
Vielen Dank, lieber Keven für deinen offenen Einblick in euren Team-Spirit und deine Tipps, wie man Talente findet und bindet.